Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2024
Ab Sommersemester hat Frau Prof. Dr. Miriam Finkelstein die Professur für Slavische Literaturen und Allgemeine Literaturwissenschaft inne.
Prof. Dr. Miriam Finkelstein
Schreiben, Spielen, Protestieren. Kulturproduktion im russischsprachigen Internet
Dienstag: 10.00 – 11.30 Uhr H 305
BA Slavistik, MA Osteuropa: Geschichte-Medien, LA Russisch, BA/MA Edu Russisch, BA LKS
In dieser Lehrveranstaltung wollen wir uns mit dem russischsprachigen virtuellen Raum und den verschiedenen digitalen Medien kultureller Produktion in Belarus, Kazachstan, Russland, der Ukraine aber auch in Deutschland auseinandersetzen. Ergründen wollen wir die jeweiligen nationalen Spezifika der digitalen Kommunikations- und Kreativitätsformen sowie die vielfältigen Funktionen, die das WWW für russischsprachige Menschen vor dem 24. Februar 2022 hatte und noch heute hat. Nach einem Überblick über die Entwicklung des russischsprachigen Internets ab ca. 1990 unter der besonderen Berücksichtigung von dessen dezidiert transnationalen und transkulturellen Anfängen, werden wir uns mit dem virtuellen Raum als einem Ort sprachlicher Freiheit und Kreativität beschäftigen und die dort entstandenen spielerischen, ironisch-subversiven Formen des Russischen kennenlernen (olbanskij jazyk, jazyk padonkov). Im weiteren Verlauf werden wir verschiedene Formen der russischsprachigen Blogkultur betrachten und die Selbstrepräsentations- Kommunikationsformen der (inzwischen international agierenden) Bloger:innen analysieren. Einen wichtigen Schwerpunkt des Seminars wird das Runet als Publikationsraum für literarische Texte bilden; hierbei werden wir unterschiedliche Strategien von Autor:innen kennenlernen, lokale und globale Leserschaft(en) zu erreichen bzw. diese erst zu schaffen. Untersuchen werden wir russische und russischsprachige soziale Medien und Plattformen, um ihre Formen und Funktionen mit den ihrer westlichen Pendants zu vergleichen. Diskutieren werden wir die Bedeutung dieser Medien und der verschiedenen Messengerdienste auch im Hinblick auf deren Rolle für Protest- und Oppositionsbewegungen in Russland (etwa in den Jahren 2011-2012 sowie nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine). Im Fokus werden hierbei u.a. unabhängige Informationsplattformen stehen, die sich vielfältiger Medien bedienen (u.a. Telegramm, YouTube, Internetfernsehen).
Transkulturelle Schreibweisen von Autor:innen aus Osteuropa
Mittwoch: 8.15 – 9.45 Uhr HS H 303
BA Slavistik, MA Osteuropa: Geschichte–Medien, BA/MA Edu Russisch, LA Russisch, BA/MA LKM, BA LKS
Im Fokus des Hauptseminars stehen Texte von Gegenwartsautor:innen, die im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert aus ost- und südosteuropäischen Ländern nach Nordamerika sowie nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz einwanderten. Viele von ihnen schreiben nicht (oder nicht nur) in der jeweiligen Erstsprache, sondern in der Sprache des Landes in dem sie leben: etwa Saša Stanišić (Bosnien-Deutschland), Emilia Smechowski (Polen-Deutschland), Irena Brežná (Tschechoslowakei-Schweiz) und Vladmir Vertlib (Sowjetunion-Österreich), die auf Deutsch schreiben oder Aleksandar Hemon (Bosnien-USA), Gary Shteyngart und Lara Vapnyar (Sowjetunion-USA), deren Literatursprache Englisch ist. Allerdings spielen sowohl die jeweiligen Erstsprachen als auch die literarischen Traditionen der Herkunftsländer in diesen Texten immer eine prominente Rolle. Auf vielfältige und oft herausfordernde Weise werden in ihnen also verschiedene Sprachen und Traditionen zu einem neuen, genuin transkulturellen Ganzen verwoben.
Gemeinsam wollen wir ergründen, wie diese und andere Autor:innen in ihren Romanen, Erzählungen und in lyrischen Texten Migrationserfahrungen ästhetisch verarbeiten und danach fragen, welche sprachlichen und narrativen Verfahren im Sinne von Eva Hausbachers ‚Poetik der Migration‘ sie zu diesen Zwecken entwickeln. Da die Texte oft in mehr als einer Sprache verfasst sind, werden wir u.a. verschiedene Formen und Funktionen literarischer Mehrsprachigkeit kennenlernen. Aus einer postkolonialen Perspektive heraus werden wir fragen, wie komplexe Identitätsfindungsprozesse und hybride sprachlich-kulturelle Zugehörigkeiten abgebildet werden und welche Erzählstrategien hierbei zum Einsatz kommen. Auch der überaus kritische migrantische Blick auf ‚den Westen‘, etwa die Hinterfragung der ideologischen und ökonomischen Systeme westlicher Gesellschaften wird im Mittelpunkt unserer Auseinandersetzung stehen. Zugleich wollen wir uns den Texten aus erinnerungstheoretischen Positionen nähren und untersuchen, wie Familiengeschichten und die Geschichten der jeweiligen Herkunftsländern der Autor:innen aus migrantischer Perspektive erzählt werden. Diskutieren werden wir dabei, wie migrantische Erinnerungs- und Geschichtsnarrative mit westlichen Osteuropadiskursen interagieren – ob sie diese bestätigen oder unterwandern.
Von Almaty bis Zürich. Russophone Gegenwartsliteraturen in globalen Kontexten
Donnerstag: 8.15 – 9.45 Uhr VL H 303
BA Slavistik, BA/MA Edu Russisch, LA Russisch
Was bedeutet heute ‚russische Literatur‘ und wo entsteht sie? Ist ‚russisch‘ notwendigerweise gleichbedeutend mit ‚russländisch‘ und ist ‚russische Literatur‘ immer nur die, die in Russland entsteht? Wie können wir adäquat über literarische Texte in russischer Sprache sprechen, die von Autor:innen verfasst werden, die sich in ethnischer oder nationaler Hinsicht nicht als Russ:innen identifizieren? Wovon erzählen Texte etwa belarusischer, kazachstanischer und lettischer Schriftsteller:innen, die auf Russisch schreiben, oder jener, die in Deutschland, den USA oder Israel leben? Auf diese und viele weitere Fragen wird in der Vorlesung eingegangen, die sich zum Ziel setzt, einen Überblick über russophone Gegenwartsliteraturen anzubieten und Russophone Studien als ein plurales, dezentralisiertes und inklusives Feld zu zeichnen, das offen für die Erforschung lokaler Verzweigungen russischsprachiger Kulturen auch jenseits von Russland ist. Aufbauend auf den Arbeiten von Nina Frieß, Kevin Platt und Maria Rubins zu russophonen Kulturen in globalen Kontexten wird zugleich ein theoretischer Rahmen für die Analyse russophoner Literaturen und Kulturen entworfen. Von zentraler Bedeutung ist hierbei aber v.a. die Arbeit der amerikanischen Slavistin Naomi Caffee, die das Konzept der Russophonie einführte, das die russische Sprache zum alleinigen Kriterium russistischer literatur- und kulturwissenschaftlicher Analysen macht. Aus einer post- und dekolonialen Perspektive wird so auch der Frage nachgegangen, wie das Russische mit anderen Sprachen in Ländern interagiert, in denen es als Instrument des kulturellen Ausdrucks eine bedeutende Rolle spielt. Beleuchtet werden Veränderungen in der Wahrnehmung und Verwendung der russischen Sprache in Folge von Ereignissen wie dem Euromajdan, des russischen Angriffs auf die Ukraine, aber auch der sozialen und politischen Entwicklungen der letzten Jahre in Belarus, dem Baltikum oder Kasachstan. Nicht zuletzt werden auch die Beziehungen zwischen der Kultur Russlands und den russischsprachigen Kulturen, die außerhalb Russlands entstehen, analysiert.
Slavistisches Forschungskolloquium
Dienstag: 15.15 – 16.45 Uhr D 433
MA Schule - Slavistik, MA OGM, LA Russisch
Das Kolloquium versteht sich als Forum für die Präsentationen der Arbeiten und Projekte von Examenskandidaten und Promovierenden sowie für die Diskussion neuerer slavistischer, literatur- und kulturwissenschaftlicher Forschungsansätze.
Masterkolloquium Literaturwissenschaft (Konstanzer Masterschule)
Mittwoch: 11.45 – 13.15 Uhr H 303
MA Literaturwissenschaft
Das Kolloquium dient dazu, die im Rahmen der Konstanzer Masterschule entstehenden Masterarbeiten vorzustellen.
Dr. Maria Zhukova, Dr. Innokentij Urupin
Geflüchtete Kinder in Konstanz: Annäherung durch Film
Donnerstag: 11.45 – 13.15 Uhr H 309
BA Literatur - Kultur - Sprachen (Schlüsselqualifikation)
Das praxisorientierte Seminar sieht vor, das Leben der Kinder aus Familien der Geflüchteten in Konstanz in einzelnen Situationen und Umgebungen zu verfolgen und filmisch zu erfassen. Als Seminarergebnis soll ein abgeschlossener Film entstehen. Bei der Vorbereitung unserer Dreharbeiten befassen wir uns mit den Problematiken des Spracherwerbs, der Bildung und des sozialen Umfeldes am neuen Ort vor dem Hintergrund der Frage, inwiefern bei den Integrationsbemühungen eine fördernde Rolle der Kunst erwartet werden kann. Ob Musik, Theater, Malerei oder Tanz – es soll mit dem Kameraauge beobachtet werden, wie die Kreativität der Kinder sich entfaltetet und wie sich darin ihr Verhältnis zu Landesgrenzen, zu Daheim-Sein, zu einer neuen Welt an den Tag kommt. Im Rahmen des Seminars wird der gesamte Verlauf der Filmproduktion vom Verfassen des Drehbuchs bis hin zur Montage durchgemacht. Eine zusätzliche kinematographische Expertise darf bei einem aktuell aktiven Filmemacher, der nach Konstanz kommt, geholt werden.